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Imperia - Peter Lenks Denkmal für eine Prostituierte

Dieses Jahr feiert die Insel Reichenau die Gründung ihres Klosters durch den Wanderbischof Pirmin vor 1300 Jahren. Aus diesem Grund führte uns unsere diesjährige Kulturreise vom 5. bis 7. Juli an den Bodensee, genauer auf die Insel Reichenau und nach Konstanz.


Wir befassten uns mit der Geschichte der Insel Reichenau und wanderten auf den Spuren der Eidgenossen in der Stadt Konstanz; wir spazierten vorbei am Geburtshaus von Henri Dufour, dem General im Sonderbundskrieg und Mitbegründer des Roten Kreuzes sowie am Konstanzer Konzil, dem „Schauplatz der einzigen Papstwahl nördlich der Alpen“, wie die Marketing und Tourismus Konstanz GmbH auf ihrer Webseite schreibt.


Und immer wieder fielen unsere Blicke auf das Wahrzeichen der Stadt Konstanz, die Imperia; die 9 Meter hohe Skulptur an der Hafeneinfahrt, die sich innerhalb von 4 Minuten einmal um die eigene Achse dreht.



Die Imperia ist eine aus Beton gegossene 18 Tonnen schwere Skulptur einer spärlich bekleideten Frau mit Narrenkappe, die ihre Arme weit ausbreitet und in jeder Hand eine nackte Männerfigur hält. Die Figur links spreizt die Beine und hat eine Kaiserkrone auf dem Kopf und einen Reichsapfel in der Hand. Die Figur rechts sitzt mit gekreuzten Beinen und trägt eine Papsttiara.


(Bild: Tagblatt; Wahrzeichen in Konstanz: Imperia – eine Frau gegen die Doppelmoral)


Die Imperia ist eine satirische Auseinandersetzung mit dem Konstanzer Konzil (1414-1418), während dem die Prostitution in der Stadt blühte. Die beiden Männlein in den Händen der Imperia symbolisieren die weltliche und die kirchliche Macht; der Kaiser mit der Kaiserkrone, der Papst mit der Tiara und Imperia die Hure, besser die Kurtisane - die hochgebildete Frau - die sowohl weltliche als auch kirchliche Würdenträger mit Liebesdiensten beglückt.


Mit der Skulptur werden aber auch die Patriarchen verspottet, die sowohl in der Kirche als auch in der Politik das Sagen haben. Als Opfer ihrer eigenen niederen Triebe werden sie zu lächerlichen, nackten Figürchen in den Händen einer Frau. Trotz der Insignien der Macht sind sie Imperia machtlos ausgeliefert.


Auch die Parallelen zum Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ sind nicht zu übersehen. Imperia mit der Narrenkappe hat die Rolle des Hofnarren, der die Machtspiele der Würdenträger von oben beobachtet und durchschaut. Wenn diese Würdenträger jedoch ihrer Amtstracht beraubt werden, werden sie zu lächerlichen, unwürdigen Witzfiguren.


Der Bildhauer Peter Lenk (https://www.peter-lenk.de/home.html) erschuf die Imperia im Auftrag der Bodensee-Schiffsbetriebe, des Fremdenverkehrsvereins von Konstanz und der Wirte am Bodensee. Sie wurde von der Computergesellschaft Konstanz finanziert.


Beim Entwurf der Figur liess der Bildhauer sich von der Erzählung «La belle Impéria» von Honoré de Balzac inspirieren. Impéria ist eine Kurtisane, die während des Konzils von Konstanz Geliebte von Fürsten, Grafen, Würdenträgern und Kardinälen und damit die inoffizielle Herrscherin des Konzils ist.


Zu den zwei Männlein, die die Imperia in der Hand hält, meint Peter Lenk: „… Es handelt sich bei den Figuren der Imperia nicht um den Papst und nicht um den Kaiser, sondern um Gaukler, die sich die Insignien der weltlichen und geistlichen Macht angeeignet haben. Und inwieweit die echten Päpste und Kaiser auch Gaukler waren, überlasse ich der geschichtlichen Bildung der Betrachter. …“


Peter Lenk schuf die Skulptur in Stuttgart. Ihre Einzelteile wurden mit einer Fähre nach Konstanz transportiert. Dieser Transport kostete Fr. 20‘000.00 und wurde, gemäss Aussage von Peter Lenk, von der Migros unter der Bedingung finanziert, dass die Skulptur nicht auf Schweizer Seite aufgebaut werde. In einer Nacht- und Nebelaktion wurde die Imperia auf dem Grundstück des ehemaligen Molenturms aufgebaut, das sich im Eigentum der Deutschen Bundesbahn befand.


Am 26. April 1993 wurde die Skulptur enthüllt. Die Empörung nach der Enthüllung war in kirchlichen, aber auch in konservativen Kreisen und im Gemeinderat gross, nicht nur weil die Imperia die Kirche verunglimpfe, sondern auch weil sie den Prostituierten ein Denkmal setze. Der Kunstverein zweifelte am künstlerischen Wert des Skulptur. Sie alle forderten die Entfernung der Skulptur. Die Stadt Konstanz konnte diese Entfernung nicht durchsetzen, da das Kunstwerk auf Privatgrund stand. Mittlerweile ist die Imperia ein Touristenmagnet und ein Wahrzeichen von Konstanz geworden.

 

Quellen:

 

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